interview mit mute.ch

im forum, badenerstrasse, zürich, 27.01.2007

bp: Stellt Euch bitte kurz vor.

Chris: Ich bin Chris Gasser und bin verantwortlich für das Booking und die Events im Allgemeinen, der Kopf des Teams sozusagen.

Fernando: Ich heisse Fernando Gort, zuständig für Presse und Öffentlichkeitsarbeit.

Alex: Und ich bin Alex Hofmann, der Rechtsanwalt von mute.ch (lacht)

Chris: Dazu gehören auch noch Judith (Sponsoring & Visuals), die momentan auf Reisen ist, ausserdem Christian (Promotion und Personal), Michi (Technik) und Pat (Finanzen).

– Seit wann hört Ihr Drum’n’Bass? Und wann kam das erste Mal mal der Wunsch auf, sich aktiv in die schweizer Drum’n’Bass-Landschaft einzumischen?

Fernando: Drum’n’Bass höre ich seit Mitte der neunziger Jahre, circa ’96 oder so. Ich glaube, das war Kruder & Dorfmeister im Palais (Palais X-tra, ein alteingesessener Zürcher Club) und die legten Drum’n’Bass auf. Das fand ich dann schon ziemlich coole Musik… Daraufhin ging ich ziemlich regelmässig ins Rohstofflager, bis dann irgendwann ein Freund Turntables kaufte und selbst mit auflegen anfing.

Chris: Bei mir wars ein wenig früher, so um ’94…

– Also ziemlich am Anfang. Vorher gabs ja in der Schweiz nicht viel.

Chris: Naja, angefangen hats vielleicht schon ’92, ’93 – aber da konnte ich mit dem Sound noch nicht viel anfangen.

– Ok, das war ja auch noch fast Happy Hardcore.

Chris: Ja, fast. Und ich kam ja vom TripHop und Acid Jazz, habe das auch aufgelegt. Irgendwann kaufte ich dann eine TripHop-Platte mit einem D&B Remix auf der anderen Seite, und der hat mich dann so geflasht, dass mich der Sound nicht mehr los liess.

– Und der Wunsch, dich aktiv mit dieser Musik zu beschäftigen, kam unmittelbar danach?

Fernando: Automatisch!

Chris: Ja, automatisch… Ich wollte diese Musik auflegen, und es gab damals fast gar keine Parties mit dieser Musik. Also haben wir dann angefangen, selbst welche auf die Beine zu stellen und uns so selber Auftritte verschafft.

– Wie siehts bei Dir aus, Alex? Du bist ja eher der Elektro-Hörer.

Alex: Ja, ich habe mit Drum’n’Bass eigentlich wenig am Hut.

– Wie bist denn Du zu mute.ch gestossen?

Fernando: Wir brauchten einen Rechtsanwalt! (lacht)

Alex: Ja, das war der Hauptgrund. Allerdings wollte ich mich schon auch musikalisch einbringen, wenn ich mich schon bei mute.ch engagiere. Ich habe ja vorher auch schon Parties gemacht, einfach in einem anderen Bereich. Und das Rechtliche ist ja doch eher ein kleiner Aufwand bei mute.ch.

Fernando: Was man vielleicht auch gleich sagen muss: Ich selbst bin erst seit drei Jahren bei mute.ch.

Alex: Und ich seit zwei.

Fernando: Chris ist das einzige Gründungsmitglied, das noch aktiv ist.

– Ok, Chris, ich kenn Dich ja noch aus den Zeiten von Icon. Welche Rolle spielte diese Drum’n’Bass-Reihe (immer Sonntags im Supermarket) bei der Gründung von mute.ch? Kann man sich das als eine Vorstufe zu mute.ch vorstellen?

Chris: (zögert) Ja, irgendwie schon… bei Icon war ich ja nicht von Anfang an dabei. Das waren Leute wie David (Diva D), anfangs noch mit Studio B zusammen. Aber vom audioviuellen Standard war das Icon ganz klar ein Vorbild für uns.

– Viele Leute aus Eurer damaligen Umgebung sind ja noch heute gut mit Euch vernetzt.

Chris: Auf jeden Fall! Mit der Zeit wurden das ja auch gute Freunde, und man merkt schnell, mit wem sich gut arbeiten lässt.

– Gabs Dinge, die Ihr euch anders vorgestellt habt, bevor Ihr mute.ch gegründet habt? Oder wusstet Ihr genau, auf was Ihr Euch einlasst?

Chris: Wir wussten gar nichts! Wir wollten einerseits einfach Bookings. So um ’99, als wir mute.ch gegründet haben, wars ja schon so, dass man als Zürcher fast gar nicht zum Zug kam. Das Rohstofflager buchte vor allem Engländer, vor denen vielleicht mal Minus8 oder Led Tampi ein wenig auflegen durften. Sonst gabs gar nichts.
Andererseits war ich dann auch einige Male in London, unter anderem auch im Blue Note an den Metalheadz Sessions, und das war halt schon ein anderer Groove, als hier in der Schweiz vorgeherrscht hat. Sowas wollten wir auch probieren.
Schlussendlich wars einfach so, dass man zusammengesessen ist und Parties gemacht hat. Am Anfang in kleinen Clubs, aber auch Open Air am Zürichsee.

– Die Ziele, die zu mute.ch geführt haben, habt Ihr ja erklärt. Haben sie sich im Laufe der Jahre verändert?

Fernando: Nicht wirklich. Man wird sicher professioneller, versucht bessere Parties zu machen. Aber wir wollen noch immer nicht nur grosse Namen buchen, sondern vor allem spannende Musik bringen.

Chris: Wir versuchen sicher auch ein wenig, diesen Groove aus den neunzigern weiterzuziehen und den Leuten eine Abwechslung zu den vielen Neurofunk- und härteren D’n’B-Parties zu bieten.

Fernando: Auch das Visuelle ist noch immer wichtig. Wir versuchen, mit verschiedensten Visual-Künstlern zusammenzuarbeiten. Und einfach gute Parties zu machen.

– Wie siehts mit dem Anspruch aus, die Vernetzung der Schweizer Szene voranzutreiben?

Chris: Der ist sicher ein wenig in den Hintergrund getreten. Mit der Zeit weiss man einfach, mit wem sich gut arbeiten lässt. Natürlich versuchen wir offen zu bleiben, aber es ist schon so, dass wir heute eher unser Ding durchzuziehen versuchen.

– Gilt das auch für die Bookings?

Fernando: Schon auch, ja.

Chris: Es hat sich einfach ein relativ grosser Pool an Leuten herausgebildet, den wir gern regelmässig buchen und mit denen wir auch ein freundschaftliches Verhältnis pflegen.

Fernando: Das sind dann einfach nicht nur fünf oder sechs Leute, sondern um die 20. Früher wollten wir ja möglichst alle einbeziehen, aber mit der Zeit merkt man, dass das nicht geht. Wir wollen keine Künstler, die nur kommen, zwei Stunden auflegen und wieder abhauen, sondern Leute, die auch sonst gern an unsere Parties kommen und sich dort wohlfühlen.

Chris: Auf diese Art merkt man dann auch, mit wem man bestimmt nicht mehr zusammenarbeiten will.

Alex: Das hat jetzt vielleicht nicht viel mit der Frage zu tun, aber als ‚Aussenstehender‘ war für mich mute.ch die einzige Crew, die nicht nur in der Drum’n’Bass-Szene bekannt ist, sondern auch in grossen Kreisen ausserhalb. Wenn meine Freunde, die sonst kein D’n’B hören, wiedermal an eine Party mit diesem Sound gehen wollen, dann gehen sie an eine mute.ch -Party.Das hat nach meiner Meinung schon auch mit einem guten Gleichgewicht zwischen Offenheit und einer klaren Vision zu tun.

– Denkt Ihr nicht, dass ein grosser Teil davon auch mit Eurem Auftritt zu tun hat? Ihr habt einen inhaltlich und optisch professionellen Webauftritt, Eure Flyer erkennt man seit Jahren auf den ersten Blick und Eure Partyreihen halten sich sehr konstant im Zürcher Nachtleben.

Fernando: Da will ich natürlich nicht widersprechen! (lacht)

Chris: Sicher auch, ja. Andererseits waren wir lange eine Ausnahme insofern, als dass wir nie nur an Drum’n’Bass Partys gingen wie viele andere in dieser Szene, sondern uns immer auch für andere Sounds stark interessiert haben. mute.ch war früher auch kein reines Drum’n’Bass Label und ist es mit dem Schwesterlabel Magnet auch heutzutage nicht. Heute ist das nicht mehr so wichtig, die Leute sind offener geworden.
Was Freunde, Clubs und Kollaborationen angeht, so haben wir uns in den letzten zwei, drei Jahren in der alternativen Zürcher Technoszene mehr daheimgefühlt haben als im Drum’n’Bass. Musikalisch ist der für mich immer noch an oberster Stelle, keine Frage. Die Freunde und das Umfeld, in dem ich mich wohlfühle, sind hingegen sehr im Elektro und Techno verwurzelt.

– Arbeitsteilung scheint bei Euch ein gut funktionierendes Konzept zu sein. Kam nie das Bedürfnis auf, sich einzumischen, oder ist das für Euch selbstverständlich?

Fernando: Also intern ist das schon klar geregelt. Wir sitzen natürlich immer wieder zusammen und besprechen das Wichtigste, aber in seinem Ressort kann eigentlich jeder schalten und walten.

Chris: Eigentlich besprechen wir ja fast alles miteinander, und an diesen Sitzungen ist es auch erwünscht, dass jeder seinen Senf dazugibt. Verantwortlich für die einzelnen Ressorts sind jedoch immer die, die am Ende auch am meisten Ahnung davon oder sogar beruflich damit zu tun haben.

Fernando: Das gibt immer wieder ausgedehnte Diskussionen, hat aber bis jetzt hervorragend funktioniert.

– Mitte 2005 gabs eine grosse Umstrukturierung bei mute.ch. Unter anderem habt ihr euch von allen Künstlern getrennt. Was waren die Gründe, die zu dieser Entscheidung geführt haben?

Chris: Das war damals vor allem mein grosses Anliegen. Einerseits machte ich die Bookings für alle unsere DJs schweizweit. Und da kommt plötzlich Politik ins Spiel: Wenn Ihr einen unserer DJs bucht, dann buchen wir nächstesmal einen der Euren – auch wenn er eigentlich gar nicht auf die Party passt. Auserdem scheint es einfach so zu sein, dass Künstler, in diesem Falle die DJs, nicht die zuverlässigsten Menschen sind. Also ging ein grosser Teil meiner Zeit verloren, indem ich ihnen wegen Auftritten und Mixes nachrennen und sie betreuen musste. Das ist mal ein Grund.

Fernando: Zweitens waren wir einfach zu viele Leute, von denen jeder seine Auffassung und Ansicht abgeben wollte.

Chris: Stimmt so nicht ganz. Natürlich waren wir zu viele, aber von denen haben sich auch ein grosser Teil gar nicht um mute.ch gekümmert – also eher zu wenig Input. Eineinhalb Jahre nach diesem Schritt kann ich sagen: Davor waren wir ein grosser, verkiffter und eher introvertierter Haufen. Jetzt sind wir ein kleines Team, ein bisschen weniger verkifft und sicher extrovertierter. Und das schlägt sich auch ganz klar in unseren Parties nieder.
Fernando: Schlussendlich gings einfach darum, uns vom DJ-Kollektiv zum Veranstalterkollektiv zu wandeln und damit unsere Energie in gute Parties zu stecken und nicht in die DJ-Politik oder intern verpuffen zu lassen.

Alex: Aber einen grossen Vorteil sehe ich schon darin, dass wir dadurch freier sind im Booking der Künstler.

– Ist mute.ch selbsttragend? Oder könnt Ihr sogar leben davon?

(kollektives Gelächter)

Fernando: In der Schweiz kannst Du von Drum’n’Bass nicht leben.

– Aber Ihr kommmt raus?

Fernando: Unterdessen meistens ja… natürlich gibts noch Events, bei denen wir rückwärts machen, aber seitdem wir im Hive sind, hat sich die Situation schon gebessert.

Chris: Und wenn wir vorwärts machen, dann fliesst das Geld in neue Projekte, das bewährt sich unterdessen recht gut.

– mute.ch wird heute stark mit dem Hive Club assoziiert. Früher wars das Moods und die Dachkantine. Wie wichtig ist euch der Bezug zu einer ‚Homebase‘, oder hat sich das einfach ergeben?

Fernando: Das ist einerseits schon wichtig für uns, andererseits gehts auch gar nicht anders. Wenn Du monatlich mehrere Events organisierst, dann kannst du nicht jedesmal einen neuen Raum suchen. Du brauchst einen Platz, wo du hingehörst, ohne jedesmal die ganzen Umstände abschätzen zu müssen. Ausserdem ist das Publikum, aber auch die Clubbetreiber zu wenig flexibel, um dies über längere Zeit mitzumachen. Ich kenne keinen Club, der wöchentlich andere Veranstalter hat.

– Das gibt Euch bestimmt auch einige Sicherheit, was die Planung anbelangt?

Chris: Natürlich. Wir haben nun schon alle Termine bis Ende Jahr fixieren können. Ausserdem kennt man das Barteam, die Security, was mit der Deko möglich ist. Auch die verschiedenen Veranstalter reden miteinander, ganz klar.

– Chris, du bist ja auch Mitinhaber vom Hive.

Chris: Nein, nein, für das habe ich zu wenig Geld! (lacht) Ich bin in der Geschäftsleitung und somit ganz normaler Angestellter. Dort bin ich jedoch vor allem für das Booking zuständig. Wie gesagt, in der Schweiz wird man mit Drum’n’Bass nicht reich.

– Und wenn wir schon von Heimat sprechen: Was bedeutet Zürich für Euch?

Fernando: Das ist schon der Ort, wo wir uns zu Hause fühlen, ganz klar. Da kennt man auch seine Leute, man weiss, wo die Flyer am besten ankommen und hat natürlich auch das Publikum, das einen kennt.

– Wie wichtig sind Euch Beziehungen zu anderen Crews? Gibts da Konkurrenz-Situationen?

Fernando: Sicher auch. Mit gewissen lokalen Crews wie z.b. Hard Drums haben wirs ziemlich gut, obwohl wir soundmässig auf einer ganz anderen Schiene fahren – mit anderen weniger.

Chris: Aus unserer Sicht ists eher so, dass es zu wenig Drum’n’Bass-Veranstalter gibt in dieser Stadt, vor allem in unserem Soundspektrum – so wie Blue Moose vor einiger Zeit, die wir stark supported haben. Wir wünschen uns eigentlich schon mindestens eine zweite Crew, die sich von Sound und Pubikum in unsere Richtung bewegt und auch eine gewisse Konstanz aufweist.

Fernando: Das Ganze hätte nicht mal mit Kokurrenz zu tun, sondern dass man sich auch gegenseitig Publikum schafft. Ich glaube, von einer solchen Situation würden alle Beteiligten profitieren.

Chris: Es ist ja schon so, dass wir uns vor vier, fünf Jahren kontinuierlich vom harten Sound wegbewegt haben, der ja heute noch die Parties dominiert. Wenn man Liquid-Parties macht, fühlt man sich ab und zu schon etwas alleine in der Schweiz.

Fernando: Der Vorteil ist, dass wir sicher als Vorreiter des Liquid Sounds wahrgenommen wurden und werden, zumindest in der Schweiz.

Chris: Und auch heute noch sind unsere Liquid Nights wohl eine der grössten monatlichen Veranstaltungen mit diesem Sound – europaweit!

– Ihr wolltet auch schon nach Paris expandieren, was ist daraus geworden?

Fernando: Nicht viel, leider.

Chris: Aber der Wille, auch im Ausland Parties zu machen, ist bestimmt noch da. In diesem Jahr soll zum Beispiel in Deutschland was stattfinden. Allzuviel will und kann ich dazu aber noch nicht verraten…

– Wie erlebt Ihr die Stimmung in der Schweizer D’n’B-Szene? Ist sie gut? Gibts Durchhänger? Oder ist noch Potential vorhanden?

Fernando: Potential ist ganz bestimmt noch vorhanden, gerade bei den Sounds, die für uns interessant sind.

Chris: Ein grosses Problem sehe ich in der Beständigkeit und Professionalität der Schweizer Drum’n’Bass-Crews. Die legen eine super Start hin mit geilsten Bookings, aber nach einem oder zwei Jahren sind sie wieder von der Bildfläche verschwunden. Viele Parties werden auch von DJs organisiert, was ich nicht nur ideal finde, da dann die ganzen Abhängigkeiten wieder zum Zug kommen. In diesem Bereich ist ganz bestimmt noch riesiges Potential vorhanden.
Alex: Ich denke, die Musik wird auch wieder interessanter. Natürlich wird sie Underground bleiben, die ganz grossen Zeiten sind vorbei. Aber im Moment spüre ich schon, dass durch die Entwicklungen in der Musik auch viele Leute wieder Drum’n’Bass hören, die dieser Musik eigentlich den Rücken zugekehrt haben. Leute wie John B zum Beispiel, den wir ja vor kurzem bei uns hatten, tun der Szene meiner Meinung nach extrem gut, da sie ein gewisses Glamour- und Crossoverpotential mitbringen und so auch neues Publikum holen.

– Ihr habt vor kurzem eine Platte gemacht… bedeutet das, dass mute.ch u.a. auch zum Label mutiert? Oder war das eine einmalige Sache?

Fernando: Ja, die Idee ist schon eine Weile in der Luft…

Chris: Für uns ist diese Platte wie ein erster Testlauf. Es ist ja auch eine Whitelabel, zwei Remixes eines bekannten Tracks aus der Fernsehwerbung von Michi (Tin Man) und Mischa (Mijatoho), der halt an den Parties auch immer sehr gut ankam. Davon haben wir 300 Stück gepresst, von denen nun schon fast alle weg sind. Durch einen Kontakt in England, der uns durch die Jahre immer begleitet hat und nun in einem Vertrieb arbeitet, konnten wir die Platte auch unter die Leute bringen.

– Und ihr könntet euch vorstellen, noch eine zu releasen?

Chris: Auf jeden Fall. Natürlich auch wieder in ähnlicher Auflage und nicht sofort, aber wenn uns ein toller Tune angeboten wird – warum nicht? Wir wollen uns jedoch sicher auf Schweizer Künstler konzentrieren und nicht drittklassige Tracks von bekannten Namen signen.

– Wie seht Ihr die Zukunft von mute.ch? Was wollt ihr noch erreichen? Wollt Ihr expandieren, grösser werden? Oder ist es ideal wie es jetzt läuft?

Fernando: Eigentlich ist es ideal, wie’s jetzt läuft.

Chris: Für uns ist jetzt momentan auch ein Zeitpunkt, an dem wir die Früchte unserer Arbeit langsam geniessen können. Also geht es uns vor allem darum, nach den letzten Jahren, in denen es doch viele Veränderungen gab, ein wenig Stabilität in mute.ch zu bringen, sozusagen zu konsolidieren.

Fernando: Wo wir sicher Fortschritte machen wollen und was in diesem Interview nun auch ein wenig untergegangen ist, ist unsere Elektro-Hälfte, ‚Magnet‘. Das ist  unser Schwesterlabel, welches wir letztes Jahr gegründet haben. Mit dem wollen wir ganz sicher expandieren… Wir möchten mit eher kleinen Events starten, im Superzero zum Beispiel werden wir dieses Jahr einige Anlässe organisieren.

Alex: Mit Magnet waren wir jedoch auch schon im Hive aktiv. Das Hive hat aber doch eine ziemliche Kapazität, man bringt dort über 1000 Personen rein. In dieser Grösse mit anderen Elektro- und Minimal-Veranstaltern konkurenzieren zu wollen bringt nichts. Vor allem, da es im Hive ja sowieso schon aktive Veranstalter mit diesem Sound gibt. Für mich persönlich ist es ganz klar ein Bedürfnis, mit Magnet auch wieder kleinere Nächte zu organisieren, wo man nicht immer auf die Anzahl Leute schielen muss und dadurch auch weniger Kompromisse eingehen muss.

Chris: Ja, auch für mich wäre es ein Traum in Sachen Drum’n’Bass vermehrt kleinere Parties für deeperen, eher verbreakteren Sound zu machen… im Moment fehlen in Zürich leider ganz klar die Räumlichkeiten für sowas. Man muss schon ganz klar sehen: Mit unseren Events im Hive sprechen wir ein eher kommerzielles Publikum an, das in erster Linie Party machen will. Fünfzig Prozent unserer Besucher hören sonst kein Drum’n’Bass… Es ist natürlich genial, sowas geschafft zu haben, vor allem wenn dann der Frauenanteil auch noch sehr hoch ist. Andererseits schränkt es auch ein, da man nicht jeden Act, den man jetzt pesönlich so gern booken würde, im Hive spielen lassen kann – weil sonst einfach die Leute nach einer Stunde rauslaufen würden.

fotos von mute.ch

gekürzt erschienen im resident magazin, ausgabe 7, 2007

 

interview mit axiom

per e-mail, 24.02.2007

bp: Du legst ja schon eine ganze Weile Drum’n’Bass auf. Wann wurde für Dich klar, dass Du dich aktiv mit dieser Musik beschäftigen willst?

Axiom: Eigentlich produziere ich länger als ich auflege. Ich komme ursprünglich aus dem Ambient und experimentellen Bereich und habe da auch weitergemacht, als ich angefangen habe, D’n’B aufzulegen. Mit D’n’B-Produktionen habe ich erst viel später angefangen.
Die aktive Auseinandersetzung mit Musik war eigentlich nicht meine Entscheidung, sondern die meiner Eltern, die mich schon sehr früh in den Klavierunterricht geschickt haben.

– Produzierst Du auch heute noch Ambient und/oder Experimentelles? Und hattest Du auch schon die Möglichkeit, diese Musik zu veröffentlichen?

Ich komme heute nicht mehr dazu, einfach spasseshalber ein wenig Ambient zu machen. Mit Ambient habe ich keine Ziele verfolgt, es war reine Spielerei.

– In welcher Hinsicht profitierst Du als D’n’B von diesen früheren Erfahrungen mit Musikmachen – sei es nun das Klavierspielen oder das Experimentieren?

Sicherlich ist ein musikalisches Gehör von Vorteil, gewisse Grundkentnisse betreffend Harmonienlehre sicher auch. Das Experimentieren kommt mir heute oft zugute, wenns um das Synthetisieren neuer Sounds geht.

– Was war für Dich der Grund, mit dem Produzieren anzufangen?

Ursprünglich die Faszination der Klangsynthese. Beim D’n’B dann das enorme Klangbild und das Ausloten von Grenzen und Möglichkeiten.

– Für wen produzierst du Musik? Hast du jeweils eine Vorstellung vom Endkonsument?

Ich versuche meine Ideen und Gedanken umzusetzen und diese in einer floortauglichen Version wiederzugeben.
Ich würde nicht sagen, dass ich speziell für jemanden produziere – es freut mich umso mehr, wenns jemandem gefällt.

– Was sind deine Einflüsse? Was hörst du für Musik?

Ich höre was mir gerade gefällt. Viel Jazz und Downtempo-Sachen, sofern sie nicht zu kitschig sind. Es darf auch Pop oder 80ies oder sonst was Schlimmes sein. Ich seh das nicht so eng, hauptsache es trifft auf die momentane Stimmung zu.
Einflüsse sind Ambient, Industrial und sicherlich andere Drum’n’Bass-Produzenten.

– Was versuchst Du von diesen Einflüssen zu übernehmen? Und wie versuchst Du Dich andererseits davon abzusetzen?

Ich denke das ist kein aktiver Selektionsprozess, zumindest nehme ich ihn nicht als solchen wahr. Die Einflüsse steuern wohl eher unbewusst, was mir gefällt und was nicht.

– Beschreibe Deinen Sound in drei Worten.

Drum and Bass

– Wenn ich Deine Tracks höre, fallen mir vor allem zwei Dinge auf: Die athmosphärisch-düsteren Samples, vor allem in den Intros, und die aufwendig und abwechslungreich produzierten Bässe. Fokussierst Du auf solche Elemente, oder steckst Du in alles etwa gleich viel Arbeit? Und wie wichtig ist es Dir, eine eigene ‚Handschrift‘ (sprich Wiedererkennbarkeit) zu entwickeln?

Die Intros kommen wohl aus meiner Ambient-Zeit. Bässe, denke ich, müssen heutzutage eine gewisse Komplexität haben, zumindest damit sie mir gefallen. Andererseits müssen sie groovig bleiben. Der Balanceakt zwischen Komplexität und Groove ist für mich vorrangig. Ich fokusiere mich nicht bewusst auf Intro und Bässe. Letztendlich muss der ganze Tune als solches gut klingen.
Es passiert auch oft, dass gewisse Elemente im Tune stören und sich schlicht nicht anständig integrieren lassen wollen. Inzwischen trenne ich mich von diesen, wenn auch meistens sehr ungerne. Ich schraube einfach so lange rum, bis ich mit allem zufrieden bin.
Eine eigende Handschrift habe ich meines Erachtens noch nicht gefunden. Das wird wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

– Wie sieht Dein Setup aus? Software, Hardware – oder beides kombiniert?

Ich benutze beides. Software-seitig arbeite ich am liebsten mit Cubase SX3 und einigen VSTs und VSTIs, daneben stehen paar Hardwareteile rum, auf die ich nicht verzichten möchte.

– Inwiefern beeinflussen diese technischen Gegebenheiten Deine Kreativität? Wird sie eher kanalisiert, oder kannst Du sie durch die Technik erst richtig entfalten?

Ganz klar entfalten. Ohne die heutige Technik währen die zeitgemässen D’n’B-Produktionen völlig unmöglich. Anders gesagt, zeig mir ein Instrument, das Noisia-Bässe macht.

– Hast Du auch schon mit dem Gedanken gespielt, live zu spielen? Oder was wären die Voraussetzungen, damit Du den Gedanken überhaupt in Betracht ziehen würdest?

Live scheint sich im D’n’B nicht wirklich durchgesetzt zu haben. Aber was heisst live? Laptop auf die Bühne und alles vom Sequencer runterrattern lassen und zeitweise etwas an den Cutoffs drehen? Für mich würde live bedeuten, dass ich echte Musiker auf der Bühne habe. Irgendwie passt das aber nicht zu Neurofunk, weder vom Konzept noch von den klanglichen Möglichkeiten einer Band her.

– Wieviel Zeit steckst Du normalerweise in einen Track?

Das variert sehr stark. Ein Tune kann innert 3 Tagen fertig sein, wenn alles sehr gut läuft. Es kann durchaus auch 2 Wochen oder mehr in Anspruch nehmen.

– Dabei kommen sicher auch sehr frustrierende Momente vor. Lässt Du den Track dann einfach mal ruhen, oder arbeitest Du dann umso intensiver daran?

Ja die gibt es. Ich habe mir angewöhnt, nach einem bestimmten Mass an Frustration das betreffende Element aus dem Tune rauszunehmen und was anderes zu machen.

– Du hast schon drei Veröffentlichungen auf Redlight Rec. (UK), eine auf Hostile (USA) und eine Anstehende auf Syndrome (NL). Wie bist du gerade auf diese Labels geraten?

Angefangen hat alles mit Redlight. Ich habe Optiv zufällig an einem gemeinsamen Gig getroffen. Da habe ich paar meiner Sachen gespielt, worauf er mich ins Studio eingeladen hat. Daraus entstand die erste Collab „Nightfalls“.
Kurz darauf organisierten wir die 2te Collab mit Chris.SU „Soulcube“.
Nachdem ich die Solo 12″ für Redlight fertig hatte und die Tunes im Umlauf waren, erhielt ich von diversen Labels Angebote und habe meine Tunes auf die Passenden platziert.
Neben den erwähnten Labels wird die Shadybrain (DE) 002 von Optiv und mir, die 004 eine Solo 12″ von mir sein.

– Auf welchem dieser Labels fühlst Du Dich am wohlsten?

Ich fühle mich auf allen Labels wohl. Ich hatte es soweit mit sehr angenehmen Leuten zu tun und viel Unterstützung von den Label-Leuten bekommen.

– Du hast schon mit Optiv, Chris.SU und Psidream zusammengearbeitet, bald auch mit den Upbeats. Arbeitest Du lieber im Team als alleine?

Auch die Upbeats-Collab ist ist inzwischen abgeschlossen. Ich mache beides gerne.

– Was wäre Deine Traum-Kollaboration?

Calyx – Optiv – Axiom.

– Was sind die hauptsächlichen Unterschiede in der Arbeitsweise zwischen Collabs und Soloarbeiten?

Natürlich vergrössert sich bei einer Collab der Ideen-Pool. Wenn die Konstellation stimmt, schaukelt sich das Ganze enorm auf. Auf der anderen Seite bedeuted jede Collab, Kompromisse zu machen.

– Mir scheint, Du hast eine längere Weile nicht mehr an Parties aufgelegt. Hast du dich ein wenig zurückgezogen, um nun wieder mit voller Kraft durchzustarten, oder war das gar nie so geplant?

Eigentlich war das Auflegen nicht mehr geplant. Nachdem mir mehrere Leute gut zugeredet haben, habe ich mich entschlossen, wieder damit anzufangen.
Die jetzige Ausgangslage ist natürliche eine ganz andere. Es freut mich sehr, dass ich durch meine Musik zum Reisen komme und so Leute aus aller Welt kennenlerne.

– Bald steht deine kleine Europatournee an. Auf welche Station freust du dich am meisten? Was erwartest du von Budapest?

Von Tournee kann keine Rede sein. Es handelt sich um Einzelbookings. Ich freue mich auf alle kommenden Gigs.
Betreffend Budapest habe ich nur das Beste gehoert und freue mich sehr auf den Gig. Meiner Meinung nach sprechen die vielen erfolgreichen ungarischen Produzenten für eine gesunde Szene.

fotos von Das Auge

dieses interview war grundlage für diesen artikel, erschienen im resident magazin.