minsk / zatokrev – bigod

consouling sounds / czar of crickets 2018

dass sich eine schweizer band mit einer combo aus den usa eine platte teilt, lässt erst mal aufhorchen und weckt sofort unbestimmte erwartungen, die von spannungsvollen gegensätzen bis zu gefälligem nebeneinander reichen. minsk und zatokrev, beide schon über 15 jahre im musikgeschäft aktiv, können darüber allerdings nur milde lächeln. die beiden bands verbindet nicht nur eine freundschaft, die sich auf verschiedenen kreuzungen verschlungener tourneen entwickelt und gefestigt hat, sondern auch die leidenschaft und der wille, dem alten metal immer wieder spannung und innovation abzutrotzen und dies mit einem stetig sich entwickelnden, individuellen sound zum ausdruck zu bringen.

dass dieser sound sich bei beiden bands teilweise ähnlich ist und sich zu anderen teilen in seinen unterschieden wunderbar ergänzt, ermöglicht minsk und zatokrev, ein werk abzuliefern, das mit vier songs in knapp vierzig minuten eine ganz eigene, wilde und in sich stimmige welt erschafft. in den beiden fast 15-minütigen kernstücken invoke_revive (minsk) und silent gods (zatokrev) erzählen beide bands epische klanggeschichten voller kontrollierter aggression, karger schönheit und wuchtiger gewalt, erzeugen athmosphären, die symphonische erhabenheit und kochende unruhe perfekt balancieren und wägen dabei gekonnt ab zwischen meditativem minimalismus und erschlagenden soundwällen. aber auch salvatore (zatokrev) und the chalice and the dagger (minsk) bringen in der vergleichsweise kurzen spielzeit ähnliches zustande: salvatore durch die ungestresste konzentration auf klang und melodie, the chalice and the dagger mit auf den punkt gespielten postmetal-gitarrenwänden und grossartig eingesetzten vocals.

so schaffen es die beiden bands, gemeinsam eine platte zu machen, die als ergebnis schliesslich grösser ist als die summe seiner einzelnen stücke, ausserdem durchgängig spannend und nicht zuletzt wunderschön gestaltet.

https://thesoundofminsk.com
https://www.facebook.com/minsk
https://www.instagram.com/thesoundofminsk/
https://minskband.bandcamp.com

http://www.zatokrev.com
https://www.facebook.com/zatokrev/
https://www.instagram.com/zatokrevband/
https://zatokrev.bandcamp.com
https://www.youtube.com/zatokrev

https://www.czarofcrickets.com/
https://consouling.be/label/consouling-sounds

humus‘ tahini singles nehmen fahrt auf

im dezember 2017 startete das schweizer label hummus mit emilie zoés ‚leaving san francisco‚ eine reihe liebevoll gestalteter 7“-singles, benannt nach einer weiteren paste aus der arabischen küche. die aufnahmen sind live und roh, ab und zu mit digitalen overdubs abgeschmeckt, und kommen aus den talentierten und umtriebigen händen von labelboss louis jucker.

gestern wurde diese reihe nun fulminant fortgesetzt, und zwar mit gleich zwei singles: dezember (tahini single 002) hat prune carmen diaz an den vocals, pascal lopinat an den drums und gitarren, louis jucker am bass und nathan baumann an den keys. diese band hat einen wunderbar organischen klang, der mit konzentration und reduktion auf repetitive sturheit und psychedelische flächen eine ganz eigene, hypnotische stimmung entstehen lässt. prune carmen diaz stimme ist dazu die ideale ergänzung und zieht den hörer tief in ihren bann.

 

die zweite single kommt von nathan baumann himself, komplettiert nur durch ana carla maza am violoncello für den ersten song: eine wunderschön ergreifende pianoballade mit herzzerreissender melodie. auch der zweite titel nutzt das klavier als tonangebendes instrument, ist jedoch in seiner staubigen reduziertheit viel näher und intimer beim hörer, der sich je länger je mehr in der athmosphäre kleinster nebengeräusche verliert.

ricky force – the touch/what to do

pressin hard records 2018

ziemlich unverhofft vor einer woche angekündigt, nun auch wirklich draussen: die dritte platte auf richard tuckers – alias ricky force – privatlabel pressin hard records ist das erste lebenszeichen dieses outlets seit fast fünf jahren. die platte war schon zackig ausverkauft, aber auch digital machen die beiden oldschool-jungletracks richtig was her.

die a-seite gehört ‚the touch‘, einem wundervoll ätherischen stück ambient jungle mit weichen, warmen bässen und liebevoll ziselierten snares. die abstrahierten vogelschreie und athmosphärisch hallenden stimmen lassen wehmütige erinnerungen an ltj bukems beste zeiten aufkommen und werfen sofort ein durch kristallklare flächen gebrochenes kopfkino an. mit viel raum und perfekt produziert schliesst dieser track nahtlos an den anspruch des labels an, die goldene äre des jungle mit den neusten produktionsmethoden aufleben zu lassen.

 

auch ‚what to do‘ startet mit warmen flächen und viel athmosphäre, wirkt jedoch schon zu beginn viel dramatischer und erzeugt mit hihat und frauenstimme atemlose spannung, die schon bald brutal und schlagartig aufgelöst wird durch den wirbel druckvollst produzierter amens. es ist immer wieder schön zu hören, wie dieser beat aufs neue zerhackt und neu zusammengesetzt wird, und auch wenn ricky force sich hier zum grossen teil an sehr erprobte muster hält, findet er immer wieder einen weg, den track frisch und und den tänzer bei der sache zu halten. vor allem die als emotionale farbtupfer gesetzten samples weiblichen gesangs verleihen der leicht gehetzt wirkenden atemlosigkeit der drums eine persönliche note.

 

beide seiten der platte wirken ein wenig zu kurz, und somit bleibt nur zu hoffen, dass es nicht wieder fünf jahre dauert bis zum nächsten nostalgieschub rickys!

pressin hard records
ricky force auf soundcloud

proc fiscal – hello boss

cosmic bridge 2018

cosmic bridge startet 2018 mit einer hochenergetischen ep voller frischer ideen und frecher einfälle. proc fiskal ist der künstlername des 21-jährigen joe powers, ein edinburgher, der schon früh durch youtube den verführungen und lockungen des uk hardcore continuums erlag. indem er diese einflüsse destillierte und auf 160 bpm herunterkochte, erreichte er schnell interessierte hörer und wurde bald auch von veteranen wie dem grime-dj spooky im radio gespielt. bald darauf gabs eine ep bei hyperdub, auf der grime mit erstaunlichen resultaten auf jungle-geschwindigkeit gedopt wurde. all dies scheint die aufmerksamkeit des cosmic-bridge-labelchefs, om unit aka jim coles, erregt zu haben und führte schliesslich zu ‚hello boss‘, auf der proc fiskal in den dunklen ecken zwischen garage, grime und ragga jungle herumstochert.

man spürt schnell: die tracks auf ‚hello boss‘ wurden für djs produziert: energievoll, vielseitig und hochgradig tanzbar. mit ‚a fragrance‘ wird gleich in die vollen gegriffen: eine unglaublich frisch und gleichzeitig nostalgisch klingende kombination aus mitte-90er-jungle und uk garage mit supertight gecutteten breakbeats, satt klickenden snares und einer fiesen bassline – klingt fast, wie wenn sich potential badboy und 2 smooth für einen tag im studio eingeschlossen hätten. ‚hello boss‘ nimmt seine hauptsamples aus einem bollywoodstreifen und lässt drums und bassline gegeneinander antreten, miteinander tanzen und beide ihre stärken voll ausspielen. das ganze wirkt überraschend dicht und ist trotz seiner luftigkeit und teilweise spartanischen ausstattung ein unglaublicher knaller auf dem floor.

auf ‚who can’t hear‘ beweist, dass der junge künstler seine youtube-jungle-lektionen intensiv und leidenschaftlich verinnerlicht hat: ein fast schon klassischer ambient-roller früher bukemscher prägung, die ecken gebrochen und kanten geschliffen mit der hochmodernen produktion und ergänzt mit wunderschön sanften flächen und einer handvoll samples, die jedem junglist vor freude die tränen in die augen treibt. den abschluss macht ‚window cat‘ mit schnappatmenden grime-beats und einer eiskalten bassline, die einem die luft aus den lungen drückt.

‚hello boss‘ passt unglaublich gut zu cosmic bridge – das sich genau den winkeln und ecken verschrieben hat, die sich bei 160bpm zwischen den verschiedenen strängen des hardcore continuum auftun – und zeigt mit einer fantastischen leichtigkeit und selbstverständlichkeit, wohin die reise führen kann, wenn man seinen geist offen hält.

tmsv – jazz error / calavera

cosmic bridge records 2017

gleich nochmals ein grossartiger release heute, diesmal jedoch aus der drum’n’bass- und dubstep-ecke. tmsv darf zum zweiten mal auf cosmic bridge seine rhythmuslastigen bassexkursionen vor dem geneigten publikum präsentieren, und er nutzt diese möglichkeit, zwei gnadenlose dancefloorbomben zu droppen. mit ‚jazz error‘ hat er einen perkussiven 160bpm-roller am start, der mit seiner nervösen perkussion und den verhackstückten querflöten-samples dem tracktitel alle ehre macht, dazu kommen grossartig eingesetzte strings, die an alte horrorfilme erinnern.

‚calavera‘ wählt einen mittelweg zwischen punktuell verabreichter rhythmischer detailverliebtheit und exzessivem bassfetischismus, während mit den sparsam eingesetzten samples eine düster-futuristische athmosphäre heraufbeschworen wird. diese lenkt allerdings keine sekunde vom zweck des tracks ab, die meute zum tanzen zu bringen.

beneath – no symbols 006

no symbols 2016

mit no symbols hat sich beneath einen raum geschaffen, wo er seine vision von vorwärtsorientierter clubmusik unbeeinflusst von labelpolitics und geschmacksvorgaben ausleben und weiterentwickeln kann. die minimale gestaltung und der verzicht auf jedwelche werbung und sonstigen firlefanz machen schon von vorherein ziemlich klar, dass es sich hier um ein no bullshit-projekt handelt: die musik soll gelten, sonst nichts.

dieser ansatz prägt die releases, aber auch die tracks selbst: „lifted“ ist ein sperriges dancefloormonster, das sich mit seinen eckigen, ungelenk anmutenden, aber dadurch nicht weniger brutalen beats und dröhnenden synths zwischen all die stühle hockt, die in den letzten monaten von labels wie livity sound, timedance oder gutterfunk besetzt wurden. was die klassishen trackstrukturen angeht, lehnt sich beneath hier wieder sehr weit aus dem fenster, und auch die b-side „cack“ widersetzt sich unbekümmert dem mainstream, diesmal mit stolpernder bassdrum und toms, die sich gerade noch dem marschmusikhaften entziehen. die synthmelodien sind trotz ihres robusten sounds nie wirklich greifbar, nur der unglaublich tief hinabreichende bass bietet orientierung und halt.

für die vinylkäufer gibts dazu noch „fuck y’all“, das ein klein wenig vertrauter und besser verdaulich klingt, aber durch die acidlastigen leads ganz bestimmt nie langweilig wird.

dj die – lik it bak

gutterfunk 2016

dj dies gutterfunk-label hat sich in den vergangenen monaten durch unglaublich diverse und innovativ produzierte tanzmusik die herzen bassaffiner djs erobert. heute gibts vom labelboss selbst einen schon fast klassisch anmutenden 174-bpm-roller zum gratisdownload, mit wunderschön gecutteten drums und einer fetten bassline, die an dope dragons beste zeiten errinnert. sehr nett und allemal ein ohr voll wert!

hirsch & eigner – stalker / swoop

~ous 2016

mit einer neuen 7″-single erweitert ~ous seinen noch kleinen künstlerkatalog um den deutschen diy-instrumentenbauer und künstler andreas oskar hirsch und den österreichischen schlagzeuger, perkussionist und field-recordings-spezialist richard eigner. das kleine schweizer label verfolgt hiermit konsequent weiter seinen weg, experimentelle, analog und digital neuartig kombinierende musik in kleinen, aber edlen auflagen unters volk zu bringen.

auf beiden tracks spielt oskar hirsch auf einem umgebauten palmblatt, was ungewohnte, an xylophone errinnernde klangbilder ergibt. kombiniert mit richard eigners spielerischen, aber immer sehr klar strukturierten beats entsteht ein luftiger, in aller geräumigkeit spartanisch wirkender sound, der mit kleinsten effekten und verschiebungen wirkung zu schaffen versteht. dies funktioniert vor allem bei „swoop“ sehr gut, wo mit diesen mitteln trotz der kurzen laufzeit eine spannende thrillerathmosphäre voller dynamik erreicht wird.

diese scheint bei „stalker“ leider zu einem grossen teil nicht vorhanden zu sein, was vor allem an der kaum variierten, fast schon simplen melodie liegen mag, die mit dem relativ einfachen rhythmus zwar eine schöne klangliche einheit ergibt, aber kaum eine interessante entwicklung aufweisen kann. die fantastische qualität und fast schon greifbare räumlichkeit der aufnahme kann leider nicht über die fehlende tiefe und komplexität der komposition hinwegtäuschen.

burial – young death / nightmarket

hyperdub 2016

eine weile schon in aller stille aus diversen shops und ab heute ganz plötzlich auch auf bandcamp erhältlich, gehört diese single wohl zu den sehnlichst erwarteten stücken musik dieses jahres. denn abgesehen von einer kollaboration mit zomby war von burial dieses jahr nicht viel zu hören, und auch letztes jahr bliebs abgesehen von einem release auf keysound ziemlich ruhig.

umso höher schlägt das herz schon bei den ersten takten von „young death“, wenn eine durch die mangel gedrehte r’n’b-stimme über knisternder athmosphäre ihr wehklagen anstimmt. man spürt das tiefe pochen der bassdrum mehr, als man sie hört, und wieder kommen vergessene heimwege aus clubnächten hoch, verregnet, wehmütig, begleitet vom tinitus und dem müden nachflimmern der euphorie. burial ist ein meister im beschwören genau dieser stimmung, und das scheinbare zerfallen des tracks in mehrere teile, die zerfahren wirkende hantieren mit ideen, melodien und samples trägt nur dazu bei, sie um eine sanfte portion benebelter paranoia anzureichern.

ähnliche mittel werden auch bei „nightmarket“ eingesetzt, nur mit anderem effekt und klarer sichtbar scheinendem roten faden. dieser wird gebildet durch eine wundervoll subtil modulierte synthlinie, die jedoch durch weissrauschende statikeinbrüche immer wieder durchtrennt und unbeholfen scheinend wieder zusammengeknüpft wird. gegen ende wirken die synths triumphierend, die störgeräusche bäumen sich auf zu kaum erkennbaren beats, dann jedoch verhallen auch diese und die strasse hat dich wieder…

dave eleanor – puppet ep

blaublaurecords 2015

morgen kommt die fünfte ep von dave eleanor heraus – das ist somit nun schon die zweite auf dem jungen blaublaurecords-label. und wieder gibts wundervolle popmelodien, brilliant produzierte klänge und funkelnde kompositionen. eleanor bleibt also seinem sound, den er mit den vergangenen releases so geduldig und sorgfältig entwickelt hat, grundsätzlich treu, scheut sich jedoch nicht davor, diese entwicklung weiterzuführen und sich so ganz langsam und unauffällig eine eigene nische im elektronischen pop zu schaffen.

artworks-000136650234-2b32xh-t500x500

der einstieg in die platte zeigt dies schon beinahe exemplarisch – sowohl die entwicklung als auch die richtung, die angestrebt wird: ‚ascension‘ startet mit einer sehr vertraut anmutenden und prägnant eingesetzten melodie, die sich so auch auf der letztjährigen ‚naked + nicotine‚-ep hätte unterbringen lassen. sobald beats und bass einsetzen, ist jedoch klar, dass hier zwar kleine, aber entscheidende entwicklungen vorgenommen wurden: die produktion klingt erdiger und wärmer, die matt glänzende politur der letzten platten wurde grösstenteils entfernt und nur noch punktweise und reduziert eingesetzt – ersetzt wird sie durch eine vielfalt von soundtexturen, die zwischen aufgerauht und flauschig, zwischen glänzend hart und nachgiebiger wärme changieren.

beim zweitplatzierten titeltrack wirken diese entwicklungen schon aufs schönste ausgearbeitet: eine minimale, über den lauf des intros wunderschön modulierte bassline, ein paar minimale pianosprenkel und dann die beats, knatternd und eleanors melancholische stimme perfekt ergänzend. auch das modellieren von hall und raum, nähe und weite wird immer zurückhaltender, aber wirkungsvoller eingesetzt und errinnert gerade in diesem track nicht ganz überraschend an portisheads dummy-album und geoff barrows kombination staubiger samples mit polierter elektronik. dem gegenüber steht der nächste track ‚take two‚ mit der stimme der fantastischen marena whitcher (marena whitchers shady midnight orchestra / eclecta), ein elegisch dahinstolperndes stück perfekt austarierter hoffnungslosigkeit mit wimmernden gittarren, erstaunlich variierten trap-beats und einer steigerung in dichte und athmosphäre, die den abrupten schluss als fast schon willkommenen akt des luftholens deklariert und einen perfekten bruch zu den folgenden zwei instrumentalen tracks darstellt: ‚rise‘ ist ein beatfeuerwerk knatternder drumcomputer mit traurigen melodien und getragenen harmoniumklängen, ’system check‘ bildet den abschluss mit glöckchenläutender horrorfilmathmosphäre und fragmentumwölkten beats, die sich in rauschenden wellen an den massiven, mit dem grund schon fast verwachsenen melodien brechen, sie umspülen und benetzen, jedoch nie überspülen.

dave eleanor hat mit ‚puppet‚ ein hochaktuelles und seinen entwicklungsstand als musiker perfekt dokumentierendes werk abgeliefert, das gerade im zusammenhang mit seinen vorgängern eine wichtige dynamik in der musikproduktion anschaulich macht: das entwickeln und erreichen eines eigenen sounds unter einbezug der produktionstechnik ist ein wertvolles und wichtiges mittel, sich freiräume zu schaffen, in denen experimentiert und ausprobiert werden kann, ohne dass die tracks gleich auseinanderfallen oder sich untereinander beissen. dave eleanor hat sich mit viel geduld und hartnäckigkeit dieser entwicklung verschrieben und wird diese zum anlass des releases auch live präsentieren: die plattentaufe der ep findet morgen, am 3. dezember 2015 im nordflügel der gessnerallee in zürich statt – der eintritt ist gratis!

www.daveeleanor.com
www.soundcloud.com/daveeleanor
www.facebook.com/daveeleanor