Die Ablesbarkeit des Entwurfs

Die 1929 erbaute Siedlung im Kappelerhof fällt weder durch ihre Grösse noch durch ihr Aussehen oder ihr Konzept aus dem grossen Rahmen der damals erbauten Siedlungen. Faszinierend und überraschend ist jedoch ihre absolute Unbekanntheit.

Wenn mir zum Schreiben dieser Architekturkritik ausser dem gebauten Werk in seinem heutigen Zustand und einer kurzen Beschreibung im Badener Architekturführer keinerlei Informationen vorliegen, dann fühle ich mich auf eine befreiende Art hilflos. Es stehen mir keine Bücher über das Leben und Wirken des Erbauers zur Verfügung, aus denen man wohlklingende Zitate entnehmen könnte. Ich habe weder Zeitschriften und Artikel, in denen sich Experten mit der Siedlung auseinandergesetzt haben, noch existieren Pläne, Entwürfe oder Skizzen, auf denen man die Entwicklung einer Idee verfolgen könnte. Vielmehr bin ich auf die eigentlichen Grundlagen einer Kritik angewiesen: Das Beobachten, Erforschen und Analysieren des Objekt wird zur Hauptaufgabe. Die Person des Architekten sowie die Entwurfsprozesse werden nebensächlich. Über die Legitimität dieses Vorgehens bin ich mir jedoch selbst nicht ganz im Klaren. Sollte ich nicht besser Abstand nehmen von einem Werk, dem ich vielleicht nicht gerecht werden kann, weil mir grundlegende Angaben zu seiner Entstehung, den Bedürfnissen seiner Bewohner und der Entwurfsphilosophie, die dahinter steht, fehen? Ich glaube nicht.

Die Siedlung von Hans Loepfe steht direkt an der stark befahrenen Bruggerstrasse in Baden. Sie besteht aus zwei parallelen, zweigeschossigen Zeilenbauten mit Giebeldach, die je sechs seriell aneinandergereihte 3-Zimmer-Wohneinheiten zusammenfassen. Rechtwinklig angefügte Geräteräume schliessen die Siedlung gegen die Bruggerstrasse und die parallel dazu geführte Schellenackerstrasse ab. Sie bilden so einen grosszügigen Hof mit Splittbelag, von dem aus alle zwölf Wohnungen erschlossen werden.

Das Erste, was jedem an dieser ansonsten unspektakulären Siedlung auffällt, ist die streng aufrechterhaltene Symmetrie der beiden Hauszeilen, die sich an der Nord-Süd-Achse orientieren und so senkrecht zum Hang stehen. Man betritt den Hof von beiden Seiten auf der Symmetrieachse durch eine Lücke zwischen den Geräteräumen Auf der hangabgewandten Seite ist diese Lücke durch eine Verandaplatte gegen oben abgeschlossen und bildet so eine stark definierte Torsituation. So wird der von der Bruggerstrasse her kommende Fussgänger zuerst mit einer Rampe auf die Höhe des Innenhofes geführt, um dann durch dieses Tor auf den Platz im Zentrum der Siedlung geführt zu werden. Der gegenüberligende Durchgang zur Schellenackerstrasse ist ungedeckt und übernimmt durch diesen Umstand und durch seine Befahrbarkeit die Rolle des Haupteingangs.

Ein weiteres Merkmal, das der ganzen Siedlung einen hohen Wiedererkennungswert verleiht, ist die konsequent durchgehaltene Sockellinie. Sie macht das leicht höhergesetzte Erdgeschoss auch von der hangabgewandten Seite her klar ablesbar und deklariert das Kellergeschoss als eine Art Plattform, auf der die Gebäude dem Publikum präsentiert werden.

Im Osten und im Westen, also auf den Aussen- und Längsseiten der Siedlung, schliesst jeweils eine Gartenfläche an, die mit einfachen Gartenzäunen den Wohneinheiten entsprechend unterteilt ist. So entstehen zwei verschieden orientierte Wohnungstypen, die entweder am Morgen oder am Abend von der Sonne profitieren.

Durch diese Symmetrie und die klare und einfache Volumenaufteilung wird das Grundkonzept dieser Siedlung auf den ersten Blick ersichtlich. Die Ablesbarkeit des Entwurfs, die heute immer wieder energisch gefordert wird und dabei zu einem Schlagwort mit vielen Bedeutungen geworden ist, ist hier durch die Minimalisierung des Objekts schon erfüllt. Es herrscht kein Zweifel darüber, wo die Wohneinheiten aneinandergrenzen oder auf welchem Niveau die einzelnen Geschosse sich befinden. Auch ein Laie kann sich beim Betreten der Siedlung ein gutes Bild vom räumlichen und konstruktiven Aufbau einer einzelnen Wohneinheit und des Ensembles machen, ohne sich in das Innere eines Gebäudes begeben zu müssen. Dies ist das Ergebnis eines ausgereiften und – wohl auch aus finanziellen Gründen – sehr vereinfachten Aufbaus der Siedlung wie auch der Wohnungen.

Die Wohnungen werden, wie schon erwähnt, vom zentralen Innenhof her über eine kleine, dreistufige Treppe erschlossen, die durch einen minimalen Windfang gedeckt ist. Im Innern fallen als Erstes die Verkehrsflächen, sprich Treppe und Hausflur, auf, die ein Minimum an Raum einnehmen. Im Eingangsgeschoss befinden sich Küche, Wohnzimmer und ein Bad mit Wanne, Klosett und Waschbecken. Das Wohnzimmer ist gegen den Garten gerichtet und nimmt die ganze Breite einer Wohneinheit ein. Im oberen Geschoss befinden sich zwei Schlafräume und ein WC, wobei eines der Zimmer zum Garten und das Andere zum Innenhof gerichtet ist. In den vier Eckhäusern kann man durch das hofseiteige Zimmer, das in diesen Fällen auch ein zusätzliches Fenster besitzt, die Terasse, die durch die Geräteräume gebildet wird, betreten.

Die ganze Siedlung mutet trotz ihrem traditionellen Erscheinungsbild mit Giebeldach und Jalousieläden sehr aktuell an. In manchen Fällen sind jedoch Änderungen von den Bewohnern am Gesmtbild vorgenommen worden, so dass das heutige Bild wohl nicht mehr ganz dem ursprünglichen Ausdruck entspricht. So sind heute zum Beispiel kleine Anbauten auf der Gartenseite oder auch erneuerte Fenster ein Bestandteil dieser kleinen, lebendigen Siedlung.

Siedlung im Kappelerhof
Bruggerstrasse 111-113
Schellenackerstrasse 10-12

Architekt: Hans Loepfe, Baden
Baujahr: 1928-1929

 

Peter Küng (1951)

Im Foyer der Turnhalle hat Peter Küng Intarsien in den Boden eingelegt, die sich formal äusserst fein und unauffällig, jedoch inhaltlich sehr bestimmt in die Architektur integrieren. Die drei verschiedenen Plattentypen, die sich orthogonal und diagonal in den besthenden architektonischen Raster einfügen, sind: Spiegel mit Wortfragmenten, Farbtafeln und Fotografien von Körperteilen. Die Worte und Wortteile sind dem kämpferischen und aggressiven Sportvokabular entnommen und besitzen eine anfeuernde, jedoch auch etwas beklemmende Wirkung. Freier ist die Interpretation bei den Fotografien von Körperteilen sich bewegender Sportler und bei den Farbtafeln; sie vermitteln den Eindruck kleiner Fragmente einer sich immer schneller bewegenden Umwelt. Sie alle zeigen besondere Erfahrungen: Peter Küng sucht nicht nach symbolistischen oder zeichenhaften Formulierungen; sondern er geht von der unmittelbaren Wahrnehmung des Sportlers aus (das Aufblitzen von Farben und Körperteilen und die Wirkung von direkt mit dem Sport und Kampf assoziierten Tätigkeiten: schlagen, verletzen, berühren) und formuliert daraus sein bildnerisches Konzept: kleine, feine Tafeln, die man beim Betreten und Durchqueren des Raumes mehr zufällig entdeckt. Heute wird das Foyer durch ein zusätzliches Wandbild (Jan Hubertus) dominiert, das die Feinheit der ursprünglichen Arbeit leider stark beeinträchtigt.

Peter Küng ist ein konzeptuell geschulter Maler. Seine Konzentration auf die Malerei als intellektuell durchdrungene optische Erscheinung erfährt öfters auch in künstlerischen Arbeiten Ergänzungen, die durch ihre Materialisierung und ihre Optik auf den ersten Blick eine andere Sprache sprechen, weil wie zum Beispiel in dieser Sporthalle ein besonderer Sinnzusammenhang danach ruft.

Peter Küng ist 1951 in Rheinfelden geboren, lebt jetzt in Wettingen. Er ist in Möhlin aufgewachsen, Lehrerseminar, 1974-1978 Kunstgewerbeschule Zürich, Abschluss mit dem Zeichenlehrerdiplom. Seither lebt er als freier Maler und arbeitet teilzeitlich als Zeichenlehrer am kantonalen Seminar Brugg. Er hat ein Atelier in der Ateliergemeinschaft Spinnerei Wettingen. Peter Küng hat nach Anfängen mit konzeptuell geprägter Kunst um 1985/86 zu einer intensiven Malerei gefunden. In seinen Gemälden sind stets Auseinandersetzungen mit malerischen Traditionen zu finden, und zwar inhaltlich wie handwerklich-technisch. Peter Küng war an wichtigen Ausstellungen von jungen Aargauer Künstlern vertreten (z. B. ‚Höhe x Breite x Farbe‘ 1989 im Kunsthaus Aarau), und e war Gast an der Aargauer Weihnachtsausstellung 1986. Seine Bilder waren an diversen (Einzel-) Ausstellungen zu sehen (z. B. im Trudelhaus Baden mit Hans Josephson). Die Wandmalerei in der Turnhalle Rütihof ist der erste Kunst-am-Bau-Auftrag für Peter Küng.

Werk: Bodenintarsien
Jahr: 1992
Technik: Glasplatten / Fotos
Masse: 11×11 / 5.5×22 cm
Standort: Wettingen, Sportzentrum Tägerhard, Neubau
Architektur: Othmar Gassner und Pietro Rossini, Baden
Wettbewerb: Gemeinderat Wettingen