lalamusik 2017
endlich, endlich ist es soweit: das beste netlabel überhaupt hat einen neuen release veröffentlicht! nun, ist der superlativ vielleicht auch persönlicher freundschaft geschuldet, an einem gibt es nichts zu rütteln: nach zwei jahren funkstille gibt es wieder musik, und – soviel darf man schon jetzt verraten – das warten hat sich absolut gelohnt. denn lalamusik zeigt auch diesmal wieder in aller pracht, dass sie unter den unzähligen gratis releasenden webkollektiven nicht umsonst eine herausragende position einnehmen: ein gnadenlos konsequent durchgezogenes konzept, das von der auswahl der einzelnen künstler über die individuellen pseudonyme und liebevoll-schrullig verfassten lebensläufe bis hin zu einer starken grafischen linie alles vereint, was eine eigentliche kuration ausmacht, kombiniert mit radikaler musikalischer freiheit und grosser persönlicher leidenschaft hat dazu geführt, dass das label auf nun sieben hochkarätige und eigenständige releases in albumlänge zurückblicken kann. jeder einzelne davon übertrifft in qualität und gehalt den durchschnitt des netlabelausstosses um längen. es versteht sich von selbst, dass diese qualität bei aller leidenschaft auch zeit und geduld in anspruch nimmt, und so kann zwischen zwei veröffentlichungen gerne mal ein jahr oder mehr verstreichen. seis drum, das warten ist vorbei, indira chang sei dank!
der düster knatternde, bassgeladene einstieg in ‚urban fakelore‘ macht klar: es gilt wieder ernst! war lala006 noch eine in allen farben funkelnde pop-perle und der humor allgegenwärtig, wird hier in nicht mal zwei minuten mit ernüchternder effizienz eine dystopisch-halbdunkle grundstimmung erzeugt. gleich darauf jedoch ein erster sonnenschein durch die radioaktiv drückende wolkendecke: das intro von ‚taumel‘ besteht aus matt glitzerndem glockenspiel, hoffenden streichern und der leicht belegten stimme laliers. heller wirds jedoch nicht, und in der u-bahn der stadt, melancholie und einsamkeit besingend, lässt sie sich von einem schleppenden beat und voluminösen bass begleiten. manchmal wirds dunkler, manchmal kommt man wieder an die oberfläche: der refrain ist selbstbewusst und trotzdem traurig, die weiche melodie vorsichtige zuversicht verströmend. dies ist sicher der zugänglichste track des albums, nur schon durch die mitwirkung laliers – umso mehr erstaunt es, dass jetzt ‚george and the sausage‘ ein video erhalten hat: der track erinnert in seiner dunklen, dubbig verhallten bedrohlichkeit stark an die new yorker illbient-experimente der späten neunziger. wenn in der zweiten hälfte dann eine orgel eine einfache melodie anfängt zu spielen, wirkt das erst trügerisch einfach und belanglos, wird dann aber mit zunehmender intensität und mehrstimmigkeit zum leuchtenden wegweiser durch die düsternis. das video bricht diese stimmung mit stark kontrastierten schwarzweissaufnahmen aus dem nordafrikanischen raum, die in psychedelisch anmutende vor- und rückwärtsschlafen geschnitten wurden.
und ja, es bleibt grösstenteils düster, auch wenn es fast in jedem track ein element gibt, das ein musikalisches gegengewicht bilden kann: in ‚douche‘ ist es der überraschend leicht wirkende, unbekümmert vorwärtsschreitende housebeat, der dem knurrenden bass an die leine legt und sich von den fiesen horroreffekten nicht beeindrucken lässt, beim langsam kriechenden ‚whistling past the haze‘ sind es wieder glockenspiel und violinen, die licht und wärme in die verhallten katakomben des schlechtgelaunt lauernden bass- und beatmonsters bringen. nach dem athmosphärisch wobbelnden jazz der ‚interlude‘ gehts dann überraschend rockig und analog klingend zur zur sache, treibende drums und verzerrter bass, gitarre (?) im solomodus und kreischende effekte sorgen für adrenalin und zuckende beine, bevor ’slumber‘ das tempo wieder reduziert und die synths zwar immer noch lärmen und zischen, aber schon deutlich müde klingen. der bass hingegen bleibt gefährlich und bringt den boden auch hier bedrohlich zum wanken.
was für ein abschluss und gegensatz dazu ‚the dictorator‘! ausschnitte aus charlie chaplins wundervoller, immer zeitgemässen schlussrede in ‚the great dictator‚ werden von agilen, agressiven drum’n’bass-beats umtanzt, die nur kurz von sphärischen pianostabs zum atemholen unterbrochen werden. das drumfeuerwerk setzt einen furiosen schlusspunkt unter ein album, das es in seinem tempo zwar nicht repräsentiert, hingegen auf unerwartete weise perfekt abrundet.